Kommentar zu Herbert Haag's Buch "Abschied vom Teufel" von Professor Dr. Joseph Schumacher

 

Die Bestreitung der Existenz der Engel heute

 

Was die Leugnung der Existenz des Teufels oder die Existenz der bösen Geister angeht, hat sich Herbert Haag (✝2001), Priester und Theologe, früher Professor für die Exegese des Alten Testamentes in Tübingen, unrühmlich hervorgetan. Viele sind seinen Spuren gefolgt, wohl weil sie als weltoffen und zeitaufgeschlossen angesehen werden wollten. Nachdem Herbert Haag 1969 sein Buch „Abschied vom Teufel“ veröffentlicht hatte, veröffentlichte er 1974 ein weiteres Buch zu diesem Thema mit dem Titel „Teufelsglaube“, ein Werk, das er selber seinerzeit anpriesen hat als die „umfassendste Arbeit über das Thema Teufelsglaube“. Das Buch enthält Beiträge von einer Reihe von Autoren, die sich allesamt der Position Haags verpflichtet wissen.

Es ist das erklärte Ziel von Herbert Haag, die Existenz des Teufels in Abrede zu stellen, den Teufel zu verabschieden, wie er sich ausdrückt. Seine Argumentation gegen die Existenz des Teufels ist indessen im Grunde nicht exegetischer, sondern philosophischer und theologisch-spekulativer Natur. Letzten Endes ist es das zeitgenössische Denken, das bestimmend ist für ihn, vor allem die Infragestellung aller metaphysischen Aussagen.

Haag konstatiert, der Begriff „Teufel“ stehe im Neuen Testament für den Begriff der Sünde, und er meint, das Böse komme allein aus dem Herzen des Menschen, es sei allein Sache des Menschen, ja, durch den Teufel würden die Eigengesetzlichkeit und die Eigenverantwortlichkeit des Menschen grundlegend in Frage gestellt. Die Meinung, durch den Teufel würden die Eigengesetzlichkeit und die Eigenverantwortlichkeit des Menschen in Frage gestellt, ist indessen nicht realistisch, mag sie auch noch so vehement von den Leugnern der Existenz des Teufels ins Feld geführt werden. Wer wird schon im Ernst den Teufel als Alibi für sein persönliches Versagen ins Feld führen? Zudem ist es doch faktisch so, dass gerade die Leugnung des Teufels demoralisierend wirkt, nicht jedoch die Bejahung seiner Existenz.

Haag erklärt sodann, der Geister- und Dämonenglaube sei mythisch und damit anachronistisch, denn das mythische Weltbild sei endgültig überholt, Teufel und Engel seien Reste des antiken Heidentums. Deshalb werde auch durch den Geister- und Dämonenglauben die christliche Verkündigung zutiefst unverständlich, ja, im Grunde radikal verfälscht. Hier muss man indessen unterscheiden zwischen der Vorstellung und der Wirklichkeit.

Wie Umfragen ermittelt haben wollen, beläuft sich die Zahl der katholischen Theologen, die den Teufel als personale Wirklichkeit negieren, auf 33 %, die Zahl der protestantischen auf über 50 %, bejaht nur noch jeder zehnte Einwohner der Bundesrepublik die personale Existenz des Teufels. Ob solche Feststellungen nun zuverlässig sind oder nicht, sie stehen für eine Tendenz, die man nicht bestreiten kann. Wie stark der Glaube an die Existenz der Teufel wie auch der Engel in der Kirche ins Wanken geraten ist, demonstriert nicht zuletzt auch der Holländische Katechismus, der sich bereits in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem Glaubensgeheimnis der guten und der bösen Engel distanziert. Wörtlich heißt es da: „Ist ihre Existenz (die Existenz der Engel) Teil des Weltbildes der Bibel? Oder sind sie ein wesentlicher Teil der Heilsbotschaft? Man sollte die Frage in dieser Form nicht überbewerten; auf jeden Fall gehen sie in der Darstellung der Schrift ganz auf in ihrer dienenden Rolle im christlichen Heilsgeschehen. Was über sie gesagt wird, will nichts anderes verkünden als diese beglückende Botschaft: dass Gott sich auf tausenderlei Weise mit uns befasst.“15

Unverkennbar tritt hier die Tendenz zur Leugnung der Existenz der Engel hervor. Geradezu dezidiert ist jedoch die Leugnung der Existenz des Teufels. Unumwunden, ohne Wenn und Aber wird dem Teufel und seinem Anhang an verschiedenen Stellen jede Personalität abgesprochen.16 Nicht zuletzt dürften es die Aussagen über den Teufel gewesen sein, die seinerzeit die Aufmerksamkeit der Römischen Glaubenskongregation auf das Buch gelenkt haben.

Diese hat die überlieferte Lehre der Kirche über den Teufel und die Dämonen nachdrücklich unterstrichen in der Erklärung „Christlicher Glaube und Dämonenlehre“ vom 25. Juni 1975.17 Die Erklärung bringt einen überzeugenden Schrift- und Traditionsbeweis für den überkommenen Glauben der Kirche in dieser Frage. Wir dürfen sie verstehen als eine Reaktion auf den Holländischen Katechismus und auf die beiden Bücher über den Teufel von Herbert Haag aus den Jahren 1969 und 1975.18

Sind der Teufel und die Dämonen nur mythische Bilder, sind sie nur symbolisch zu verstehen, so gilt das auch für die Engel. Gibt es keine bösen Engel, so gibt es auch keine guten. Die guten und die bösen Engel gehören jedoch unübersehbar in das Alte wie auch in das Neue Testament hinein, und zwar nicht nur im bildhaften Verständnis. Das gilt grundsätzlich. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass in der Vorstellung, die sich die Bibel über die guten und die bösen Engel macht, auch zeit bedingte Vorstellungen einen Ausdruck gefunden haben. Die Vorstellung ist nicht die Wirklichkeit.

Dank der Bedeutung des Lehramtes in der katholischen Kirche und seiner Äußerungen für den Glauben der Gläubigen ist das Bekenntnis zu den Engeln im Raum der katholischen Kirche erheblich häufiger noch anzutreffen als im Raum des reformatorischen Christentums, bei den Theologen und den Pfarrern wie auch bei den Gläubigen, obwohl die Reformatoren Martin Luther (✝1546) und Johannes Calvin (✝1564) noch eindeutig am Engelglauben festgehalten und ihn als biblisch begründete Lehre vertreten haben. Luther erklärt, kein Christ solle „daran zweifeln, dass Engel sind“, und er betont mit Nachdruck den geistlichen Schutz, den die Engel den Menschen gewähren. Er schreibt: „Christus will dein Bruder sein, so will Gott dein Vater sein. So müssen auch alle Engel deine Freunde sein.“ Im Morgen-und Abendsegen heißt es bei ihm: „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“ Dezidiert schreibt er den Engeln ein Wehramt zu, ein Schutzamt und ein Hüteramt, verwirft jedoch unmissverständlich ihre Anrufung.19 Gerade die Verwerfung der Anrufung der Engel durch Luther führte dazu, dass die Engel im reformatorischen Christentum faktisch schon bald in Vergessenheit gerieten..

Das ist freilich nicht der einzige Grund. Wenn der Glaube an die Engel im Raum des reformatorischen Christentums bedeutungslos geworden ist oder nur noch einen geringen Stellenwert hat, so hängt das nicht zuletzt auch damit zusammen, dass hier ohnehin die Tendenz besteht, klar umrissenen Dogmen skeptisch zu begegnen, und dass hier die Tendenz vorherrscht, den Glauben ganz auf Gott zu konzentrieren, auf das Wesentliche. Damit verbindet sich das Phänomen, dass man den Glauben hier weniger als Reflex von übernatürlichen Wirklichkeiten versteht, dass man hier eher geneigt ist, den Glauben subjektiv zu fassen, ihn zu reduzieren auf das, was dem Subjekt widerfährt.

Ein solches Denken ist freilich der Bibel fremd. Um so vertrauter ist es jedoch dem modernen Agnostizismus. Das ist ein Denken, das dem menschlichen Intellekt nicht viel zutraut, das ihm lediglich die Welt der Sinneswahrnehmungen zuordnet und skeptisch ist gegenüber einer Welt, die unsere alltägliche Wirklichkeit übersteigt, jedenfalls im Hinblick auf klare inhaltliche Aussagen über diese Welt.

Es ist bezeichnend, wenn ein evangelischer Theologe schreibt: „Ist es für meinen Glauben entscheidend, ob ich am wirklichen Erscheinen eines Engels festhalte oder ob ich Gott dafür danke, dass er mir "nur" eine Sinnestäuschung widerfahren ließ, die mich rettete? Auf die rettende Botschaft kommt es an, nicht auf die Art ihrer Übermittlung.“20  Er fährt dann fort: „Darf man jemandem, der nun wirklich nicht an Engel glauben kann, deswegen sein Christsein absprechen? Immerhin kommen die Engel in unserem Glaubensbekenntnis nicht vor.“21

Er täuscht sich allerdings, wenn er meint, die Engel kämen nicht vor in unserem Glaubensbekenntnis. Im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekennen reformatorische und katholische Christen gleicher weise, dass Gott der Schöpfer der sichtbaren und der unsichtbaren Welt ist, dass er der Schöpfer der Menschenwelt und der Engelwelt ist. Das gleiche gilt für das Glaubensbekenntnis von Nizäa, wie bereits gezeigt wurde.

Die Engel haben nicht nur einen Ort im Glaubensbekenntnis der Kirche, und sie gehören nicht nur unübersehbar zum Alten wie zum Neuen Testament, sondern sie sind auch älter noch als das Alte und das Neue Testament. Schon die natürliche Vernunft weiß um ihre Existenz. Dass die Engel älter sind als das Alte und das Neue Testament, das sagt uns unmissverständlich die Geschichte. Die Welt der Geister begegnet uns irgendwie in allen Religionen und Kulturen. Die Engelvorstellung ist universal. Sie findet sich im Grunde in allen Religionen, in den Primitivreligionen und in den Stammesreligionen wie auch in den Hochreligionen, im Hinduismus wie im Buddhismus, im Judentum wie im Islam. Verschieden sind nur die Vorstellungen, die man davon hat. Am geläutertsten sind sie allerdings im Christentum. Das wird man erkennen, wenn man vorurteilsfrei an diese Frage herangeht.22

Also: Die Überzeugung von der Existenz der Engelwelt, von der Existenz der guten und der bösen Geister, eint die verschiedenen Religionen, erst recht eint sie die verschiedenen christlichen Denominationen, jedenfalls ursprünglich. Die Wege trennen sich dabei aber, wenn es um den Stellenwert geht, den man dieser Wirklichkeit zuerkennt, und um das konkrete Festhalten an ihr sowie um die Vorstellungen, die man mit ihr verbindet oder die man sich dabei macht.

Am 26. November des Jahres 1996 äußert sich der Schreiber eines Leserbriefes in der Deutschen Tagespost sehr kritisch über eine katholische Zeitschrift, die auf ihrem Titelblatt im Hinblick auf die Existenz der Engel den „Abschied vom Kinderglauben“ gefordert hatte. Der „Kinderglaube“, das war hier der Glaube an den Schutzengel. Der Schreiber des Leserbriefes fragt nun, „wie man an den in der Bibel sich offenbarenden Gott glauben kann, wenn man ihm die Existenz der Engel abspricht“. Und er fährt fort: „Wenn Gott Geist ist und der Mensch eine Geistseele besitzt, dürfte es allein schon vom logischen Standpunkt her nahe liegend sein, dass es auch reine Geistwesen  gibt, von denen die Bibel häufig berichtet.“ Dann stellt er fest, als Atheist oder als Pantheist könne man natürlich kein Verständnis haben für diese Glaubenswahrheit, und er erinnert an den Stolz und die Anmaßung des modernen Menschen, die das metaphysische Denken und Streben des Menschen von Grund auf zerstören. Das ist das Problem. Die Leugnung der Engel ist nicht rational, sondern irrational.

Nicht selten erfolgt sie auch deshalb, weil man faktisch auch nicht mehr von der Existenz Gottes überzeugt ist. Nicht nur die Geschichte der Überzeugung von der Existenz der Engel ist alt, auch die Geschichte der Leugnung ihrer Existenz. Im Neuen Testament streiten sich die Pharisäer und die Sadduzäer über diese Frage.23 Anders als die Pharisäer waren die Sadduzäer nicht nur der Auffassung, dass es keine Auferstehung der Toten gebe, sondern sie behaupteten auch, es gebe keine Engel. Die Existenz der Engel wird zwar als Streitfrage nicht vor Jesus hingetragen, aber eindeutig stellt sich Jesus auch in diesem Punkt faktisch immer wieder hinter die Pharisäer.

 

Auszug aus:

Die Engel    Gottes Boten und Zeugen seiner Herrlichkeit

DIE UNSICHTBARE SCHÖPFUNG GOTTES

Prof. Dr. Joseph Schumacher

Vortrag

gehalten vor dem Initiativkreis katholischer Laien und Priester

in der Diözese Speyer am 26. August 2001

 

 

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