Rom (www.kath.net /
zenit) 31. Januar 2006
In seiner Betrachtung zu den Lesungen des vergangenen Sonntags (Deut
18,15-20; 1 Kor 7,32-35; Mk 1,21-28) stellt P. Raniero Cantalamessa
OFM Cap, Prediger des Päpstliches Hauses, die Frage nach der
Existenz des Teufels und deckt den Aberglauben unserer Tage auf. Vor
allem aber lädt er dazu ein, die stille und wirksame Kraft Christi
zu entdecken, die alle bösen Mächte verscheuchen kann.
„Der unreine Geist verließ ihn“
„In ihrer Synagoge saß ein Mann,
der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien:
Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen,
um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige
Gottes. Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! Der unreine
Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem
Geschrei“ (Mk 1,23-26). Was sollen wir von dieser Erzählung aus dem
Sonntagsevangelium und von so vielen ähnlichen Ereignissen im
Evangelium halten? Gibt es noch die „unreinen Geister“? Existiert
der Teufel?
Wenn man vom Glauben an den
Teufel spricht, so müssen wir zwischen zwei Ebenen unterscheiden:
der Ebene des Volksglaubens und der Ebene des Verstandes (Literatur,
Theologie und Philosophie). Was das Volkstum oder das Brauchtum
angeht, so ist unsere heutige Situation nicht sehr verschieden von
jener des Mittelalters oder auch jener vom 14. bis zum 16.
Jahrhundert, die traurigerweise so berühmt ist für die Bedeutung,
die den diabolischen Phänomenen zuteil wurde.
Es stimmt, dass es heute keine
Inquisitionsprozesse, Scheiterhaufen für Besessene, Hexenjagden oder
Ähnliches gibt; aber jene Praktiken, in deren Mitte der Teufel
steht, sind heute sogar noch verbreiteter als damals – und nicht nur
unter den ärmeren Bevölkerungsschichten. Sie sind zu einem
gesellschaftlichen (und lukrativen!) Phänomen geworden, das enorme
Ausmaße angenommen hat. Ja, man könnte sogar sagen, dass der Teufel,
je mehr man ihn zur Tür hinaus zu treiben versucht, desto mehr
wieder durchs Fenster hereinkommt; dass er, je mehr man ihn aus dem
eigenen Glauben ausschließt, desto stärker im Aberglauben präsent
wird.
Ganz anders stehen die Dinge auf
der intellektuellen und kulturellen Ebene. Hier herrscht bereits das
absoluteste Schweigen über den Teufel. Den Feind gibt es nicht mehr.
Der Vater der Entmythologisierung, Rudolf Bultmann, schrieb: „Man
kann nicht elektrisches Licht und Radio benutzen sowie bei einer
Krankheit Ärzte oder Krankenhäuser aufsuchen und gleichzeitig an die
Geisterwelt glauben.“
Ich glaube, dass einer der
Gründe, warum es für viele so schwer ist, an den Teufel zu glauben,
darin liegt, dass man ihn in den Büchern sucht, während der Teufel
nicht an Büchern, sondern an den Seelen der Menschen interessiert
ist. Er frequentiert nicht die Institute der Universitäten, die
Bibliotheken oder die Akademien, sondern eben die Seelen. Paul VI.
hat die biblische und traditionelle Lehre über diesen „finsteren und
feindlichen Agenten in uns und in unserer Welt, nämlich den
Teufels“, nachdrücklich bekräftigt.
Unter anderem schrieb er: „Die
Wirklichkeit des Bösen ist nicht bloß ein Mangel, sondern eine
wirkende Macht, ein lebendiges geistiges Wesen, das pervertiert ist
und pervertiert: eine furchtbare, geheimnisvolle und beängstigende
Wirklichkeit“ (vgl. Generalaudienz vom 15. November 1972
(italienisch), beziehungsweise Josef Ratzinger, „Zur Lage des
Glaubens“, München 1984, 141-151).
Die Krise ist aber auch in
diesem Bereich nicht vollkommen nutzlos geblieben, sondern brachte
sogar einige positive Früchte hervor. In der Vergangenheit hatte man
beim Gespräch über den Teufel häufig übertrieben. Man entdeckte ihn
dort, wo er nicht war, und fügte vielen Leid und Unrecht zu unter
dem Vorwand, gegen ihn zu kämpfen. Es bedarf großer Diskretion und
Klugheit, um sich nicht in den Verstrickungen des Widersachers zu
verfangen.
Überall den Teufel zu sehen ist
genauso falsch wie ihn nirgends zu sehen. Augustinus sagte: „Wenn
der Teufel angeklagt wird, dann freut er sich. Mehr noch, er will
sogar, dass du ihn anklagst. Gern lässt er deine Vorwürfe über sich
ergehen – wenn es dich nur ja davon abhält, zur Beichte zu gehen!“
Deshalb versteht man, dass die
Kirche größte Vorsicht walten lässt und von der Anwendung von
Exorzismen durch Personen abrät, die keinerlei Befugnis zur Ausübung
eines solchen Dienstes erhalten haben. Unsere Städte sind voller
Menschen, die aus dem Exorzismus eine lukrative Einnahmequelle
machen und sich damit brüsten, „Hexereien, Augenleiden, Unglück und
bösartige Kräfte zu vertreiben, die Personen, Häuser, Unternehmen
und Tätigkeiten beherrschen“.
In einer Gesellschaft wie der
unseren, die so überaus genau auf Wirtschaftbetrügereien schaut und
erpicht ist, Wucher bei Krediten genauso wie jeden Missbrauch in der
Berufsausübung sofort anzuprangern, überrascht es doch, dass es so
viele Menschen gibt, die auf einen derartigen Schwindel reinfallen.
Noch bevor Jesus an jenem Tag in
der Synagoge in Kafarnaum etwas sagen konnte, fühlte der unreine
Geist bereits, dass er vertrieben war, und sah sich gezwungen, sich
zu zeigen. Es war die „Heiligkeit“ Jesu, die für den unreinen Geist
„unerträglich“ war. Der Christ, der im Gnadenstand lebt und Tempel
des Heiligen Geistes ist, trägt einen kleinen Teil dieser Heiligkeit
Christi in sich. Und gerade sie ist es auch, die in jenem Ambiente,
in dem dieser Mensch lebt, einen stillen und wirksamen Exorzismus
ausübt.
[ZENIT-Übersetzung des vom Autor
zur Verfügung gestellten italienischen Originals] |