Das Reich der Engel

Vortrag von Pfarrer Johannes Holdt

 

3. Die gefallenen Engel

"Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann."

- so mahnt der 1. Petrusbrief (5,8). Hier ist ganz selbstverständlich vom Teufel als dem Widersacher die Rede. Davon hört man heutzutage wenig.

Baudelaire sagte einmal, die größte List des Satans sei es, die Menschen glauben zu machen, es gebe ihn gar nicht. - Der Teufel, unser Widersacher, bleibt gern anonym, unerkannt. Er wirkt am liebsten durch das nicht Fassbare, nicht Greifbare: die "Atmosphäre", den Zeitgeist, das Gerücht, die Masse... Er ist der anonyme, antlitzlose Geist des Bösen.

Christus aber hat den Bösen unmissverständlich beim Namen genannt: "Hebe dich hinweg, Satan!" (Hypage, Satana!" - Dies war der erste Exorzismus der Geschichte (Mt 4,10). Christus sagt auch klar, was das Wesen des Satans ist: Er ist "der Vater der Lüge" (Joh 8,44) und der "Menschenmörder von Anbeginn" (ibid.). Er ist auch der "Fürst dieser Welt" (Joh 12,31). Der 1. Johannesbrief (3,8) sagt, "der Sohn Gottes sei erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören". Hier wird also die ganze Sendung Christi als Kampf gegen den Fürsten dieser Welt verstanden (äußeres Zeichen für diesen Kampf sind die zahlreichen Dämonenaustreibungen).

Satan und die Dämonen sind gefallene Engel. So das klare Zeugnis der Schrift:

"Und die Engel, die ihre Herrscherwürde nicht bewahrten, sondern ihre Wohnstätte preisgaben, hält er für das Gericht des großen Tages mit ewigen Banden in der Finsternis verwahrt." (Jud 6)

Eine Vision vom Engelssturz ist uns in der Apokalypse gegeben:

"Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen." (Offb 12,7-8)

Warum der Satan und seine Anhänger ihren Platz im Himmel preisgaben und von Gott abfielen, ist rätselhaft. Der hl. Thomas meint:

"Durch die Betrachtung der eigenen Schönheit ist der Engel in die Sünde gestürzt." (2 d I,3) "Die erste Sünde der Engel kann nichts anderes sein denn Hochmut; aber danach konnte in ihnen auch Neid sein" (ST I, 63,2)

Mit anderen Worten: Der Satan, der gewiss zu den hohen Hierarchien gehört hatte, war sich zu gut, um zu dienen, vgl. Jer 2,20: "Ich will nicht dienen". - Vielleicht wollte er selbst wie Gott sein (derselbe Wunsch, mit dem er später Adam und Eva lockte: "Ihr werdet sein wie Gott..."). Vielleicht aber wollte er auch nur nicht dem Menschen dienen? Die Engel waren ja, wie bereits gesehen, dazu bestimmt, dienende Geister zu sein für diejenigen, die das Heil erben sollen. Vielleicht war sich der Satan, dieser hohe Geist, zu gut dafür - er will herrschen, nicht dienen. Auch Christus, dem Gottmenschen, wollte er nicht dienen. Er wollte vielmehr das Umgekehrte:

"Das alles, alle Reiche dieser Welt, will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest." (Mt 4,9)

Vieles spricht dafür, dass sich der Hass der gefallenen Engel nicht nur gegen Gott richtet - denn vor seiner Majestät müssen sie erzittern! ("Du glaubst an Gott? Das glauben auch die Dämonen und sie zittern dabei." Jak 2,19) -, sondern auch und gerade gegen Jesus Christus, den Menschensohn und gegen das ganze Menschengeschlecht. Vielleicht ist dieser Hass deshalb besonders groß, weil die Menschen dazu berufen sind, die Plätze im Himmel einzunehmen, die die gefallenen Engel verloren haben...

In welcher Weise wirken nun Satan und die Dämonen? - Sie versuchen, den ganzen Erdkreis "zum Abfall von Gott zu verführen" (Offb 12,9), sei es durch Lügen (Satan ist der "Versucher"), oder durch Nachstellungen (man denke an Hiob!); sie versuchen, den Menschen und die Würde des Menschen zu zerstören ("Menschenmörder", Ignatius von Loyola nennt den Satan den "Feind der menschlichen Natur"). Wo immer der Mensch und die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird, triumphiert das Böse. Die diabolische Gesellschaft ist die vollkommen entmenschlichte Gesellschaft, die dabei noch die Maske des Humanismus trägt.
 

4. Treibt die Dämonen aus! (Mt 10,8)

Mit dieser Vollmacht ausgestattet, sendet Jesus seine Jünger aus.

Christus hat den Fürst dieser Welt besiegt. Er hat keine Macht mehr über Christus und alle, die zu ihm gehören. Vielmehr haben nun die Christen die Vollmacht, das Böse auszutreiben und zu überwinden:

"Leistet dem Teufel Widerstand, dann wird er vor euch fliehen!" (Jak 4,8)

Durch die Sakramente der Kirche, besonders die Hl. Messe ist die Macht der Dämonen gebunden. Vor dem Kreuzzeichen fliehen die finsteren Mächte. Jeder Gläubige kann die "Waffenrüstung Gottes" anlegen:

"Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit, und an den Beinen gestiefelt, bereit, einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Betet allezeit mit Bitten und Flehen im Geist." (Eph 6, 12-17)

Die Waffen des Christen sind ein "gerechtes und lauteres Leben" inmitten einer "verdorbenen Generation" (Phil 2,15), der feste und gesunde Glaube, das Wort Gottes und das Gebet.

Vergessen wir auch unsere Mitstreiter, die heiligen Engel nicht:

 

"Ein Engel, der zu nichts gebraucht wird, ist eine Tragödie in der geistigen Welt!"
(Valentin Tomberg)

Wir müssen die Hilfe, die uns aus der Welt der Engel zugedacht ist, auch ergreifen. Wir sollen unsere Engel, vor allem an unseren Schutzengel denken, wenn wir vor Problemen stehen, Fragen zu lösen, Aufgaben zu erfüllen, Pläne zu fassen, Sorgen und Ängste zu beschwichtigen haben, wenn wir uns bedrängt und angefochten fühlen. Die unsichtbare Hand ist immer ausgestreckt! Vielleicht machen wir dann auch die Erfahrung, die Dietrich Bonhoeffer in der Sylvesternacht 1944 im Gestapokeller in die Worte gefasst hat:

"Von Guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar... Von Guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag, Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

 

 

 

Zurück